
Brahms Liebesliederwalzer für Gesangsquartett und Klavier vierhändig
Programm
Brahms | Liebesliederwalzer op. 52
Neue Liebesliederwalzer op. 65
Mirella Hagen | Sopran
Janka Watermann | Mezzosopran
Kim Schrader | Tenor
Roman Trekel | Bariton
Sonia Achkar & Frank-Immo Zichner | Klavier
Eine Einführung
Es gibt Musik, die das Licht eines Salons trägt: schimmernd, nahbar, erfüllt von Gesprächen, Lachen, leisen Gesten. Und es gibt Musik, die – selbst im Rahmen der Hausmusik geboren – weit über die Grenzen eines Zimmers hinausleuchtet. Zu dieser seltenen Art gehören Johannes Brahms’ Liebesliederwalzer.
Wenn man diese Stücke hört, meint man zu spüren, wie sich in Wien ein Walzer hebt, eine Hand ausgestreckt wird, ein Blick getroffen, ein Herz überrascht. Doch zugleich weht über allem ein Hauch norddeutscher Melancholie – Brahms’ eigener, unverwechselbarer Ton.
Kunst aus Nähe
Brahms schrieb diese Walzer nicht für den Konzertsaal, sondern für den Kreis enger Freunde. Vokalquartett und Klavier zu vier Händen – das ist Musik im Zeichen des Zusammenseins. Ein Klang, der nie prunkvoll sein will, sondern warm, menschlich, beinahe vertraulich.
Und gerade deshalb geraten diese kleinen Stücke zu Kunstwerken: Sie leben vom Atem der Nähe, von der Innigkeit der Stimmen, vom Herzschlag eines Walzers, der im Bewusstsein seiner eigenen Zerbrechlichkeit tanzt.
Die Liebe als Landschaft
Die Gedichte Georg Friedrich Daumers, die Brahms wählte, sind wie Miniaturen menschlicher Regungen: kurze Blitze von Sehnsucht, Eifersucht, Versöhnung, Hoffnung und Heiterkeit.
Brahms malt diese Empfindungen nicht aus – er deutet sie an. Jeder Walzer ist ein Augenblick, ein emotionaler Aufriß, der schon wieder vergeht. Darin liegt ihre Schönheit: Sie sind Momentaufnahmen, festgehalten in Musik, die die Zeit zum Funkeln bringt.
Opus 52 – Der heitere Kreis
Der erste Zyklus öffnet die Tür zu einem Raum voller Leichtigkeit. Vieles ist beschwingt, beinahe spielerisch, von tanzender Linienführung getragen. Doch selbst in den heiteren Sätzen schimmert etwas Doppelbödiges auf. Hinter dem Lachen liegt der Schatten, hinter dem Tanz die Ahnung von Schmerz. Brahms zeigt hier, wie nah Freude und Traurigkeit beieinander liegen – und wie kunstvoll er beide verbindet.
Opus 65 – Das reifere Echo
Fünf Jahre später kehrt Brahms zu diesen Walzern zurück. Die Farben sind dunkler, die Linien dichter, die Harmonik gewagter. Die Liebe erscheint hier nicht mehr nur als Spiel, sondern als ernsthafte, manchmal schwer lastende Erfahrung.
Doch auch in dieser Sammlung bleibt der Tanz als Grundfigur spürbar: mal als Erinnerung an vergangene Leichtigkeit, mal als trotziges Weiterdrehen gegen die inneren Stürme.
Ein kunstvoller Reigen
Hört man beide Zyklen zusammen, entsteht ein Bogen über die menschliche Gefühlslandschaft. Die Liebesliederwalzer sind kein Zyklus im herkömmlichen Sinne: Es sind viele kleine Inseln, die gemeinsam ein Archipel bilden.
Sie laden nicht dazu ein, eine Geschichte zu verfolgen, sondern in eine Welt einzutreten – eine Welt, in der jeder Walzer ein eigenes Fenster öffnet und doch alle von derselben Luft durchströmt werden: jener zärtlichen Mischung aus Anmut, Ironie und Melancholie, die Brahms’ Handschrift so einzigartig macht.
Ein Tanz, der weiterklingt
Und so bleibt am Ende ein Gefühl von Bewegung zurück. Die Walzer beginnen und enden schnell, doch sie hinterlassen Spuren: ein kaum merkliches Weiterzittern des Pulses, ein feines Echo im Inneren. Vielleicht ist es das, was Brahms mit diesen Stücken gelungen ist:
die Liebe – mit all ihren Facetten – in Tanz zu verwandeln.
Und den Tanz – mit all seiner Flüchtigkeit – in Musik, die bleibt.