20.04.2024

projects4cellos | 15:00 Uhr

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Programm:

Virtuoses und Besinnliches für vier Celli

Von Michael Thumser

Hof, 22. November – Identitätsprobleme kennen die Herren nicht: Wenn sie gemeinsam streichfein musizieren, sind sie ganz bei sich und einig miteinander. Nur können sie sich wohl noch nicht so recht entscheiden, wie sie heißen: Als „Die Vier EvangCellisten“ haben sich Markus Jung aus Hof und Mathias Beyer, Lukas Dihle und Hanno Riehmann bekannt gemacht, seit sie 2008 als Absolventen die Weimarer Musikhochschule verließen; der kalauernde Name verdankt sich weniger religiösem Missionsehrgeiz als dem Umstand, dass ihre Vornamen jenen der biblischen Jesus-Biografen Markus und Matthäus, Lukas und Johannes entsprechen. Vor allem für Konzerte in Kirchen wurden und werden sie bislang gebucht, wozu die oft engelszarte Innerlichkeit ihrer Interaktionen gut passt. Aber freilich gastieren sie ebenso gern an säkularen Schau- und Hörplätzen, weswegen sie nun auch – und künftig wohl vor allem – als „projects4cellos“ unterwegs sind.

     Entsprechend weltlich gings am Freitag in Hof zu, wo das Ensemble seit Jahren „Cello-Tage“ ausrichtet (und 2024 zum achten Mal dazu einladen wird). In der Klangmanufaktur der Symphoniker neben dem Theater eröffnete es die neu installierte Kammerreihe des Orchesters, indem es achtzig Minuten lang „Opernträume“ wahrmachte. Dafür dankte das etwa achtzigköpfige Publikum mit so unablässigem Applaus, dass ihm das Quartett noch zwei lehársche Operettenträume nachreichte. Von George Bizets hitziger Heldin „Carmen“ mit dem unsteten Herzen bis zu Ruggero Leoncavallos „Bajazzo“, dem traurigsten Clown der Musikbühne, arbeitet es sich durch die potenzierten Gefühle der Gattung. Das heroische Pathos, den Ton hoher Ritterliebe in Richard Wagners „Tannhäuser“ scheut das Quartett so wenig wie die „flüchtigen Tränen“, die in Gaetano Donizettis „Liebestrank“ leichtherziger fließen oder die Schwermut in George Gershwins „Summertime“ mit seiner schwülen Entsagungsmelodie über satt auf und ab wehenden Akkorden.

Vierfältig tiefergelegt

Geschmackvoll verschlanken die Interpreten in den Arrangements von eigener und fremder Hand die Weiträumigkeit der Oper, ihren Drang nach hochoffizieller Bekundung zur kultivierten Selbstbescheidung der Kammerkunst, das volle Werk des tutenden und blasenden Theaterorchesters zähmen sie durch ihren ungemischten, von Haus aus tiefergelegten, vervierfältigten Saitenklang. Sonor, zwar nicht gleichmäßig beherzt, aber immer wechselvoll das Zusammenspiel; ein paar harmonische Verstimmungen und verzitterte Töne gefährden die naturgegebene Sanglichkeit ihrer Celli nicht. Die übertrifft noch jene der Violine und nähert sich an die des Saxofons, der Klarinette an. Mit Umsicht und viel Rücksicht aufeinander teilen die Interpreten die identischen Lagen ihrer Instrumente untereinander auf: Im steten Fluss tritt hier einer, dort ein anderer mit dem Part des Sängers, der Sängerin hervor oder legt den Bass als Grundhalt fest oder fügt sich als eine der Zwischenstimmen ein, als flirrendes Füllsel oder mit tropfendem Pizzicato oder einer individuellen Linie.

Direkt aufs Herz zielen die vier in der zweiten Hälfte des Programms und treffen mit Musik Giacomo Puccinis mitten hinein: mit Evergreens aus „Bohème“, „Tosca“, „Turandot“ … Nicht das ‚ganz große Kino‘ eines von Träumen, Tränen und Übertreibungen triefenden Gefühlstheaters wollen sie inszenieren; sie erschließen, indem sie die Einfallskraft des Melos, den harmonischen Überfluss der Stücke reduzierend auf ihre wenigen gleichberechtigten Instrumente übertragen, die unerschöpfliche Stimulation und das edle Sentiment des großen italienischen Opern-Impressionisten mit einer ihnen ganz eigenen Tiefenwirkung. Man mag Puccinis Emotions-Entladungen für Schmonzetten halten; oder, wie hier, für die Inspiration eines warmen, auch mal glühenden Gemüts.

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